Beratung – gut geplant, stark gestartet
Warum die Galtphase über den Verlauf der Laktation entscheidet.
Matthias Risch, Wissenschaftlicher Mitarbeiter
Die Wochen rund um die Kalbung sind für Milchkühe eine grosse Belastung. Das Kalb legt in den letzten beiden Trächtigkeitsmonaten enorm an Gewicht zu und verlangt der Mutter einiges ab. Ausserdem sollte sich der Organismus vom zuvor Geleisteten auch ein Stück erholen und ebenso auf die nächste bevorstehende Hochleistung vorbereiten. Deshalb ist es wichtig, dass man in dieser heiklen Zeit möglichst wenig dem Zufall überlässt und zum Beispiel die Fütterung von der Altmelkphase über die Trockenstehzeit bis über den Start der Laktation hinaus konkret plant, um optimale Voraussetzungen für leistungsfähige und gesunde Kühe zu schaffen. Das vermeidet viele Probleme wie Stoffwechselstörungen oder verzögerte Trächtigkeiten, die ihren Ursprung oft bereits vor der Kalbung haben.
Verfettung vermeiden
Schon in der Spätlaktation wird die Grundlage für die folgende Laktation gelegt. Besonders kritisch ist dabei eine unerwünschte Verfettung, die meist dann auftritt, wenn Kühe, welche in ihrer Leistung abfallen, weiterhin mit derselben energiereichen Ration versorgt werden wie die übrigen Kühe in der Hauptlaktation. Bei den intensiven Milchrassen lagert sich das Fett oft im Bauchraum ein, was auf den ersten Blick unauffällig bleibt. Werden diese Tiere offensichtlich «feiss», ist es dann schon zu spät. Die Folgen zeigen sich spätestens zur Kalbung: Überkonditionierte Kühe haben wenig Appetit, fressen ungern und geraten schnell in eine negative Energiebilanz. Durch den Körperfettabbau steigt das Risiko für Stoffwechselerkrankungen wie Ketosen, welche wiederum zu Fruchtbarkeitsstörungen führen.
Kondition checken
Eine gezielte Fütterungsstrategie hilft, diese Teufelskreise frühzeitig zu durchbrechen. Dazu gehört die rechtzeitige Anpassung der Ration für leistungsschwächere Tiere. Mit einer aktiven Kontrolle der Körperkondition, (Body Condition Score), erhält man schon früh wichtige Hinweise. Ziel ist ein stabiler BCS von etwa 3.25 bis 3.5 Punkten zu Beginn der Trockenstehzeit. Gleichzeitig empfiehlt es sich, Altmelkerinnen frühzeitig in separaten Gruppen zu halten, um die Futterversorgung optimal auf ihren Bedarf abzustimmen. Betriebe mit einer grösseren Herde tun sich mit einer Gruppenbildung selbstverständlich leichter. Spätestens zum Galtstellen der Kühe sollten sie in jedem Betrieb von den laktierenden Kühen separiert werden – auch in einem Anbindestall. Wichtig ist, die hochtragenden Kühe im gewohnten Umfeld und in einem Haltungssystem zu behalten, das sie kennen.
Regenerationszeit
Die Trockenstehzeit dient nicht nur der Regeneration des Euters, sondern ist auch eine entscheidende Phase für den gesamten Stoffwechsel. Der Zeitpunkt, wann eine Kuh «galt gestellt» werden sollte, wird viel diskutiert. Wichtiger als eine festgeschriebene Dauer ist allerdings, auf den Zustand und die Leistung jeder einzelnen Kuh einzugehen. Kühe mit hohen Milchmengen gegen Ende der Laktation haben ein höheres Mastitisrisiko. In diesen Fällen kann die Verlängerung der Laktation um ein bis zwei Wochen die Eutergesundheit unterstützen. Durchmelken ist allerdings nie eine Option.
Volumen und Appetit
So oder so: Ziel der Fütterung während der Trockenstehzeit ist es, das Volumen im Pansen hochzuhalten, den Appetit zu fördern, die Mikroben optimal vorzubereiten und die Körperkondition zu (er-)halten. Unabhängig von der Dauer gelingt das am besten, wenn man den Galtkühen viel Wasser zur Verfügung stellt und eine strukturreiche, ausgewogene Ration vorlegt. Wichtig ist dabei, dass die Tiere so viel Kuhkomfort haben, dass sie ungehindert und gerne aufstehen, um zu fressen.
Zwei Phasen in der Galtzeit
Eine zweiphasige Trockenstehzeit bereitet die Kühe optimal auf die Geburt und die kommende Laktation vor: Die eigentliche Galtphase dauert bis etwa zwei bis drei Wochen vor dem Abkalben. Hier steht die Regeneration im Vordergrund. Die Energieversorgung sollte dem Bedarf einer Milchleistung von rund fünf bis sechs Kilogramm entsprechen (etwa 5.3 Megajoule NEL pro Kilogramm Trockenmasse). Grobe Umstellungen von Futterkomponenten sollten vermieden werden. Damit die Ration trotzdem die gewünschten Werte erreicht, kann man die Hauptfutterkomponenten mit strukturreichem Grundfutter wie spät geschnittenem Heu, Stroh oder faserbetonten Silagen strecken. Das füllt den Pansen und sichert seine Futterverdauung. Auch Galtkühe fressen am liebsten Futter von guter Qualität und sollten sich nicht nur mit der «Ausbutzete» vom Futtertisch der anderen begnügen müssen.
Energiedichte steigern
In den letzten zwei bis drei Wochen vor der Geburt beginnt die Transitphase. Jetzt wird die Kuh gezielt auf die energiereiche Ration der laktierenden Herde vorbereitet. Ziel ist eine maximale TS-Aufnahme nach dem Abkalben. Die langsame Gewöhnung der Pansenflora erfolgt über die schrittweise Steigerung der Kraftfuttergabe, also durch eine Erhöhung der Nährstoffkonzentration. Empfohlen ist ein täglicher Zuwachs von etwa 200 bis 250 Gramm Kraftfutter bis zum Abkalbetag. Dann sollte die Kuh rund 2,5 bis 3 Kilogramm Kraftfutter aufnehmen. Auf diese Weise wird der Verdauungstrakt schonend auf energiereiches Futter umgestellt, ohne Risiko für Pansenübersäuerung oder Appetitverlust.
Mineralstoff-Management
Während der Trächtigkeit, so auch in der Galt- und Transitphase, ist eine ausreichende Versorgung an Mineralstoffen, Spurenelementen und Vitaminen von zentraler Bedeutung. Um die Depots der Kühe zu füllen und das Milchfieberrisiko zu senken, hilft ein spezieller Galt-Mineralstoff, der kein oder nur sehr wenig Kalzium enthält. Er sichert dennoch die Versorgung mit Phosphor, Natrium und Magnesium sowie die Spurenelementversorgung. Sind die Kühe während der Galtzeit z’Alp oder sonst ganztägig auf der Weide, ist ihre Versorgung schwieriger. Boli (z.B. CURATOP), die insbesondere Spurenelemente enthalten, helfen hier. Sie ersetzen allerdings nicht die Versorgung mit Mengenelementen und Viehsalz. Diese müssen trotzdem über Leckschalen oder -steine (o. ä.) gegeben werden.
Das Kalb zeigt den Mangel
Mineralstoff fördert die Entwicklung des Kalbs und der Euterzellen und wird für eine hochwertige Biestmilch gebraucht, die wiederum der Kälbergesundheit zugutekommt. Spurenelementmangel wirkt sich meist nicht direkt an der trockengestellten Kuh aus. Er manifestiert sich allerdings nach der Geburt mit Nachgeburtsverhalten und trinkschwachen, krankheitsanfälligen Kälbern. Magnesiummangel führt hingegen zu einer geringeren Kalziummobilisation aus den Knochen und zu einer verringerten Kalziumabsorption. Er verschärft das Milchfieberrisiko.
Fresslust fördern
Mit der Geburt des Kalbs beginnt eine weitere anstrengende Phase für die Kuh. Ein ruhiger, stressfreier Abkalbebereich unterstützt ihre Futteraufnahme zusätzlich. Ebenso wie der direkte Zugang zu lauwarmem Wasser. Auch Ergänzungsfuttermittel wie LaktaStart oder der KETOTOP Bolus regen die Fresslust nach der Geburt nachweislich an. Auch jetzt sollte die zugeteilte Menge Kraftfutter behutsam weiter um maximal 250 Gramm täglich steigen, bis die Zielmenge von etwa sechs Kilogramm in der dritten bis vierten Laktationswoche erreicht ist. Werden die Kraftfuttergaben in kleinen Portionen über den Tag verteilt und erhöht sich die TS-Aufnahme ebenso, bleibt der Pansen-pH-Wert stabil und kann optimal arbeiten.
Es beginnt am Futtertisch
Der Zusammenhang von Energiebilanz und Fruchtbarkeit ist wissenschaftlich und praktisch vielfach belegt. Gerade in der Trockenstehzeit ist der Energiegehalt der Ration matchentscheidend. Nur eine ausgeglichene Energiebilanz und ein stabiler Körperzustand steigern den Besamungserfolg. Deshalb beginnt die Fruchtbarkeitslenkung nicht erst mit dem Abkalben oder sogar der ersten Besamung. Sie startet schon Monate zuvor – mit einer gezielten, strukturierten Fütterung der altmelkenden oder galten Kuh.
Fazit
Wer die Fütterung von der «Altmelk» bis zur «Frischkalbin» konsequent plant, die einzelnen Phasen aufeinander abstimmt und auf die Bedürfnisse des individuellen Einzeltiers eingeht, sichert sich gesunde, leistungsstarke Kühe mit hoher Fruchtbarkeit. Die Phase rund ums Abkalben ist dabei nur ein Teil eines durchdachten Gesamtkonzepts, das langfristig den Erfolg im Milchviehbetrieb unterstützt.