Home>News>
Zwillinge – zwei Kälber auf einen Streich
TORO Beratungsartikel|05.05.2025

Zwillinge – zwei Kälber auf einen Streich

Wer negativen Folgen vorbeugt, kann sich am doppelten Kälberglück freuen.

Jutta Berger, wissenschaftliche Mitarbeiterin

Viele Betriebe berichten, dass bis zu 10% ihrer Kühe pro Jahr mit Zwillingen «gesegnet» seien. Dem Vorteil, der sich aus dem überzähligen Kalb ergibt, stehen leider zahlreiche Risiken für die Gesundheit der Mutter und eine höhere Sterblichkeit der Kälber gegenüber. Beides lässt sich jedoch minimieren, wenn man die Kühe auf die doppelte Geburt vorbereiten kann.

Bei Kühen sind 95% der Zwillinge zweieiig. Sie können unterschiedliches Geschlecht oder nach einer Mischbesamung zwei verschiedene Väter haben.
Bild: Georg Mathis, Küblis

Mit Ultraschall untersuchen

Für die Vorbereitung auf eine Zwillingsgeburt ist es wichtig, bereits bei der Trächtigkeitsuntersuchung festzustellen, dass sie bevorsteht. Mit einem Ultraschallgerät gelingt diese Diagnose ziemlich sicher. Entweder können hier direkt beide Föten sichtbar gemacht werden oder man findet eine markante weisse Linie, dort wo sich die Fruchtblasen und Eihäute der Kälber überlagern (s. Bild). Insbesondere Kühe, die aus einer Familie stammen, die zu Zwillingen neigt, oder die selbst schon einmal mit zwei Kälbern trächtig waren, sollten deshalb mit Ultraschall auf Trächtigkeit untersucht werden. Denn ihr Zwillingsrisiko ist höher. Da Kühe in der Regel zweieiige Zwillinge haben, kann man manuell auf den Eierstöcken der Kuh zwei Trächtigkeitsgelbkörper ertasten. Sie lassen die Vermutung zu, dass es Zwillinge werden könnten. Ein 100%iger Beweis sind sie nicht. Bei anderen Untersuchungsmethoden (z.B. Milchtests) ist die Differenzierung zwischen normaler und Zwillingsträchtigkeit nicht möglich.

Wenn sich Fruchthüllen von zwei Föten überlagern, bildet sich eine weisse Linie im US-Bild.

Je weniger Platz, umso früher

Alle Kühe, bei denen eine Zwillingsträchtigkeit festgestellt oder vermutet wird, muss man unbedingt notieren. Da sie im Schnitt ca. zehn Tage vor dem eigentlichen Geburtstermin kalben, sollten sie entsprechend früher als üblich trockengestellt und auch eher wieder angefüttert werden. Sobald sich die Versorgungslage in der Gebärmutter für die Kälber verschlechtert, lösen sie über das Stresshormon Cortisol nämlich ihren Geburtsbeginn aus (s. Toro 05/2024). Dabei kommt es vor allem auf die Platzverhältnisse und die Blutversorgung an. Ist Letztere sehr ungünstig, sterben die Kälber ab und werden abortiert. Das Risiko für einen Abort ist bei Zwillingen daher dreimal höher als bei einer Trächtigkeit mit nur einem Kalb. Für die Trächtigkeitsdauer kommt es ansonsten darauf an, ob die Kälber im selben Horn der Gebärmutter liegen, wo der Platz und die Nährstoffversorgung schneller knapp werden oder ob sie auf beide Seiten verteilt sind. Dann können auch Zwillinge normal ausgetragen werden.

Eine verkürzte Trächtigkeit führt jedoch zu unreifen Kälbern, die entsprechende Startschwierigkeiten und eine geringere Überlebenschance haben. Kälber, die vor dem 270. Trächtigkeitstag zur Welt kommen, sind meist nicht lebensfähig. Bei verfrühten Geburten passt häufig auch die Ablösung der Nachgeburt von der Gebärmutterschleimhaut nicht. In der Folge kommt es für die Kuh zur Nachgeburtsverhaltung und zu Infektionen ihrer Gebärmutter.

Mehr als nur eine einzige Eiblase

In einer normalen Brunst einer Kuh wird schon früh ein Eibläschen selektiert, das besser versorgt wird und somit schneller wächst als viele kleinere «Beibläschen». Diese dominante Eiblase unterdrückt die Weiterentwicklung der anderen über einen komplizierten, hormonellen Regulationsmechanismus. Die kleineren Bläschen reifen deshalb nicht aus, sondern bilden sich wieder zurück. Manchmal funktioniert diese Selektion bzw. die zeitliche Differenz in der Brunstblasenentwicklung nicht richtig. Es können mehrere Eibläschen bis zur Sprungreife heranwachsen. Werden dann beide Eizellen befruchtet, kommt es zu einer zweieiigen Zwillingsträchtigkeit.

Futteraufnahme vor dem Kalben

Je besser die Kuh und die Kälber in der Hochträchtigkeit versorgt werden, umso länger werden die Zwillinge in der Regel ausgetragen. Die Versorgung der hochträchtigen Zwillingsmutter ist allerdings oft schwierig. Denn die beiden Kälber nehmen dann ein enormes Volumen im Bauchraum der Kuh ein. Sie drücken auf den Pansen der Mutter und bremsen deren Futteraufnahme. Trotzdem steigt der Nährstoffbedarf der beiden Kälber im letzten Trächtigkeitsmonat immens. Beide Faktoren führen fast zwangsläufig schon am Ende der Galtzeit zu einem gestörten Stoffwechsel der Kuh, wenn nicht entgegengesteuert wird. Im Extremfall leiden solche Kühe bereits vor dem Abkalben an Festliegen oder Wehenschwäche. Die hochtragende Kuh wird ausserdem sehr schwerfällig und kommt am ehesten zurecht, wenn sie ausreichend Platz und schmackhaftes, energiereiches Futter zur Verfügung hat. Eine gute Versorgung mit Mineralstoffen und Spurenelementen (z.B. über Curatop®-Boli) gehört ebenfalls dazu.

Die Geburt überwachen

Wer rechtzeitig mit einer Zwillingsgeburt rechnet, kann sich auch auf Probleme beim Kalben entsprechend vorbereiten. Oft ist Geburtshilfe notwendig, weil sich beide Kälber im mütterlichen Becken verkeilen (s. Grafik) oder weil eines der Kälber – meist das zweite – mit den Hinterbeinen voran geboren wird. Die bewusste Vorbereitung von Erste-Hilfe-Massnahmen für lebensschwache Kälber kann das Leben der Neugeborenen retten.

Wenn beide Kälber gleichzeitig durch das mütterliche Becken wollen, brauchen Zwillingsgeburten überlegte Geburtshilfe.

Risikofaktoren

Bei welchen Tieren muss man nun besonders mit einer Zwillingsträchtigkeit rechnen? Die Wissenschaft nennt einen Mangel am Gelkörperhormon Progesteron als Hauptursache, warum in der nachfolgenden Brunst einer Kuh mehr als nur eine einzige Eizelle heranreift (s. Kasten), was dann in zweieiigen Zwillingen enden kann. Streng genommen handelt es sich bei diesen also um eine spezielle Form einer Fruchtbarkeitsstörung, weil Regulationsmechanismen auf den Eierstöcken versagen. Folgende Faktoren erhöhen ausserdem das Risiko für eine Zwillingsträchtigkeit:

  • Hohe Leistung
    Viele Betriebe beobachten, dass es innerhalb ihrer Herde vor allem die Kühe mit der höchsten Milchleistung sind, die mit Zwillingen trächtig werden. Sie haben oft einen niedrigeren Progesteronwert.
  • Kurze Rastzeit
    Anfang Laktation braucht es wohl einige Zeit, bis sich die Regelmechanismen auf den Eierstöcken wieder so gut einspielen, dass nur eine Eizelle springt.
  • Ältere Kühe
    Das Risiko für zweieiige Zwillinge steigt mit dem Alter der Kühe.
  • Familiäre Häufung
    Manche Kuhfamilien sind anfälliger für Störungen in der Eizellselektion als andere. Zwillinge sind bei ihnen häufiger. Eine Schweizer Arbeitsgruppe konnte bereits Abschnitte im Genom identifizieren, die ein höheres Risiko für Mehrlingsträchtigkeiten bedeuten.

Das gibt’s nur beim Rind (und manchmal bei Schaf und Ziege): Zwicken beim Pärli

Die Blutgefässe, die den Fetus als Nabelschnur mit Nährstoffen versorgen, sind bei Rindern besonders stark verzweigt und haben Querverbindungen untereinander. Die Nabelgefässe von Zwillingen sind in der Regel über feinste Äderchen miteinander verbunden, ihre Fruchtblasen veklebt. Bei anderen Tierarten oder Menschen haben zweieiige Zwillinge solche engen Verbindungen nicht. Bei Rinderzwillingen jedoch fliessen Blut und Zellen zwischen den beiden Feten hin und her. Problematisch wird es, wenn männliche Zellen von einem Stierkalb in seine Zwillingsschwester gelangen. Sie stören die Entwicklung der weiblichen Geschlechtsorgane über Hormone und Eiweisse – das weibliche Kalb wird eine unfruchtbare Zwicke ohne Eierstöcke oder Gebärmutter. Übrigens: Auch wenn der männliche Zwilling im Laufe der Trächtigkeit abstirbt, können die weiblichen Geschlechtsorgane bereits missgebildet sein – deren Entwicklung beginnt nämlich bereits in der sechsten Trächtigkeitswoche. Die weiblichen Zellen richten im Stierkalb dagegen keinen Schaden an. Durch den Einsatz von gesextem Samen bietet sich hier mittlerweile eine gute Möglichkeit, Zwicken zu verhindern. Die Wahrscheinlichkeit, dass hier ein «Pärli» entsteht, ist deutlich geringer.

Bei diesen ca. 10 Wochen alten Zwillingsfeten sind die Frucht­hüllen verklebt (weisse Pfeile) und die Blutgefässe verzweigt (blaue Pfeile).