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So häufig ist es brenzlig
Service|09.11.2024

So häufig ist es brenzlig

75% der Besamerinnen und Besamer erlebten schon mal eine gefährliche Situation.

Jutta Berger, wissenschaftliche Mitarbeiterin

In letzter Zeit ereigneten sich leider mehrere schwere Unfälle in unserem Besamungsdienst. Diese aufzuarbeiten war ein Schwerpunkt seiner Weiterbildungstage im September. Eine Umfrage dort trug Meinungen und Erfahrungen von Besamerinnen und Besamern zusammen: Wie lassen sich gefährliche Situationen und Verletzungen bei ihrer Arbeit vermeiden?

Die Sicherheit erhöhen

Dem Team Arbeitssicherheit von Swissgenetics lag diese Übungen sehr am Herzen: «Mehrere unserer Mitarbeitenden zogen sich kürzlich sehr schwere Verletzungen beim Besamen zu», berichtet Arbeitssicherheitsexpertin Sibylle Mellema und zählt die Unglücksfälle besorgt auf: «Die dramatischsten körperlichen Schäden waren Rippenbrüche sowie massive Gesichtsverletzungen einhergehend mit anhaltenden Angstzuständen und daraus folgender Arbeitsunfähigkeit. Es ist uns daher ein wichtiges Anliegen, durch eine aktive Mitwirkung des Besamungsdienstes die Sicherheit bei der Samenübertragung zukünftig zu verbessern».

Riskante «Solo-Besamungen»

Da sich die meisten Unfälle dann ereignen, wenn die Besamerinnen und Besamer allein bei den Tieren im Stall sind, lag das Hauptaugenmerk der Weiterbildung genau auf diesen Situationen. «Wir erhielten 197 Antworten auf unseren Fragebogen», fasst Sibylle die Ergebnisse zusammen, «aus ihnen ergeben sich erstaunliche – und gleichzeitig auch erschreckende – Erkenntnisse, wie gefährlich solche Solo-Besamungen tatsächlich sein können. Drei Viertel der Antwortenden hatten nämlich schon mal einen Unfall oder sehr viel Glück in einer brenzligen Situation, wenn keine zweite Person bei einer Samenübertragung dabei war.» (s. Abb.1) Auch die Häufigkeit solcher riskanten Situationen erstaunt! Über die Hälfte der Befragten denken mehrmals im Jahr, «das war jetzt schon noch knapp», weil sie gerade eine gefährliche Besamung hatten. (s. Abb. 2)

Diese Besamung ist bestens vorbereitet: Im Besamungsordner befindet sich ein Hinweis, die Kuh steht im Fressgitter mit seitlicher Begrenzung und zusätzlichem Halfter.
Bild: © swissgenetics

Hohe Erwartungen, weniger Kontakt

Als wichtigste Ursache für die Zunahme gefährlicher Situationen, nannten die Besamerinnen und Besamer, dass niemand vom Betrieb anwesend sei. «Die Erwartung, dass sie allein zurechtkommen, hat eindeutig zugenommen. Gleichzeitig sind die Tiere den menschlichen Kontakt weniger gewohnt, da Laufställe, automatische Melksysteme aber auch Mutterkühe stetig mehr werden.  Dennoch gaben die Befragten an, dass sie in vielen Situationen auch ohne zweite Person keine Probleme haben – wenn diese Besamungen vom Betrieb gut vorbereitet sind», sagt die Expertin.

Vorwarnung geben!

Insbesondere bei auffälligen oder nervösen Tieren wünsche sich der Besamungsdienst, dass eine zweite Person dabei wäre. Zumindest sollte unbedingt angekündigt sein, dass man speziell aufpassen müsse. Der Kommunikationsweg sei zweitrangig: «Ob per Sprachnachricht oder auf den Auftragszettel im Stallordner geschrieben, ist schlussendlich egal,» betont Sibylle, «ausserdem bitten die Besamerinnen und Besamer ihre Kunden darum, dass den Tieren ein Kopfhalfter angelegt wird, auch wenn sie im Fressgitter fixiert sind oder in einem Anbindestall stehen». Eine kurzfristige Fixierung des Kopfs unter der Besamung lenke die Kuh so ab, dass ein Austreten weniger wahrscheinlich ist. Hilfreich ist auch, wenn nicht nur das zu besamende Tier im Fressgitter steht, sondern links und rechts jeweils ein ruhiges Tier daneben eingesperrt ist. Sie verhindern abrupte Ausweichbewegungen zur Seite». Damit die Tiere nicht zu lange im Fressgitter warten müssen, könne der Besamungsdienst sie grundsätzlich auch selbst Einfangen. Dazu sollte das zu besamende Tier aber unbedingt separiert und Lockfutter parat sein.

Neuer SMS-Service

«Eine andere Möglichkeit ist, sich die Uhrzeit einer Besamung melden zu lassen», empfiehlt Sibylle, «man kann jetzt bei der Anmeldung eine Besuchsankündigung bestellen. Dann erhält der Betrieb eine SMS, wann er mit dem Besamer rechnen kann. Es lässt sich sogar die Vorlaufzeit, mit der die Ankündigung zugestellt wird, auswählen. So kann man bei der Besamung anwesend sein, ohne den halben Tag im Stall warten zu müssen».

Abb. 1: Besamungen ohne zweite Person sind oft gefährlich: 75% unserer Besamerinnen und Besamer können sich an mindestens eine heikle Situation erinnern.
Abb. 2: 54% der Befragten hatten mehrmals im Jahr ein mulmiges Gefühl bei einer Besamung.