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Weidezeit - Raus im Frühjahr
TORO Beratungsartikel|12.03.2025

Weidezeit - Raus im Frühjahr

Die neue Weidesaison braucht gute Vorbereitung.

Matthias Risch, wissenschaftlicher Mitarbeiter

Der erste Weideaustrieb ist immer mit Aufregung für Tier und Mensch verbunden. Bevor die Stalltür hierfür geöffnet wird, beachtet das alte Bauernwissen vor allem die richtige Mondphase, die verspricht, über den Sommer ein ruhiges Vieh zu haben. In der modernen Landwirtschaft geht es noch um mehr. Das Motto «Zaun zu, Tür auf und ab geht die wilde Fahrt» reicht nicht. Es braucht Know-how!

Nicht nur die Kühe freuen sich über den ersten Weidegang.
Bild: www.zweiaufreisen.com

Mit System und Strategie

Jeder Betrieb muss sich im Frühling zunächst die Frage stellen, in welchem System geweidet werden soll – Portionsweide, Kurzrasenweide, Standweide? Funktioniert das bisherige System oder muss es irgendwo optimiert werden? Ausserdem muss für jede Tiergruppe (Milchkühe, Mutterkühe, Rinder) die passende Strategie gefunden werden – Stundenweide, Vollweide, Alp­weide … Manchmal lohnt sich hier ein Blick über den Tellerrand oder eine Beratung von aussen, damit nicht alles immer so läuft wie immer – sondern vielleicht besser?

Gesunde Klauen für die Weide

­Danach gilt es konkrete Vorbereitungen zu treffen, damit alle Tiere über die Weidezeit fit sind und dies auch bleiben. Bereits einige Zeit vor dem geplanten Weideaustrieb lohnt sich der kritische Blick auf die Klauen. Tiere, die den Sommer auf der Alp verbringen, oder hochtragende Kühe sind unbedingt auf ein gesundes Fundament angewiesen. Auch Rinder, die im Winter auf Tiefstreu oder angebunden waren, können bereits Probleme mit Stallklauen haben. Lange Klauenspitzen brechen in unwegsamem Gelände ab und führen zu schweren Lahmheiten. Sie müssen daher vor dem ersten Weidegang gekürzt werden. Auch überschüssiges Horn an der Sohle sollte moderat entfernt und die Hohlkehle nachgeschnitten werden. Zum lahmheitsfreien Laufen auf der Weide darf die Sohle allerdings nicht bis «aufs Leben» heruntergeschliffen werden. Sonst gibt jedes kleine Steinchen eine Druckstelle.

Würmer: Fokus auf Jungtiere

Magen-Darm-Parasiten und Lungenwürmer können insbesondere bei Rindern, die den ersten Sommer auf der Weide sind, zu einem Problem werden. Ältere Tiere hatten oft im Vorsommer bereits Kontakt mit Parasiten und konnten daher schon eine gewisse Immunität entwickeln. Ziel bei den «erstsömmerigen» Rindern ist, sie den Parasiten nur langsam auszusetzen, damit auch sie eine Immunität erreichen, ohne schwer daran zu erkranken. Das gelingt, wenn sie nicht mit älteren Tieren gemeinsam geweidet und erst Mitte Frühling auf dann abgetrocknete Wiesen gelassen werden. Durch einen frühen ersten Schnitt senkt man den Infektionsdruck durch das Vernichten von Larven, die in den Weiden überwinterten. So haben die Rinder kontrollierten Kontakt zu den Parasiten, der sich über die Weideperiode immer mehr verstärkt und die Immunitätsentwicklung fördert.

Sind Kälber in Mutterkuhherden von Weideparasiten besonders gefährdet?
Bild: C. Berni aus dem Fotowettbewerb dfK 2015

Diese Empfehlungen führen zum Schluss, dass insbesondere Kälber in Mutterkuhhaltungen stark von Parasitenbefall bedroht sein könnten. Tatsächlich gibt es allerdings Hinweise, dass gerade Kälber, welche zu Beginn der Saison auf die Welt kommen, dadurch geschützt sind, dass sie sich hauptsächlich von Milch ernähren. Ihr Grasverzehr steigt erst im Verlauf der Weideperiode. Wurmbefall kommt aber nicht nur in der Mutterkuhhaltung regelmässig vor. Was also tun?

Selektiv behandeln

Eine generelle Austriebsbehandlung aller Tiere mit einem langwirksamen Wurmmittel wird aus unterschiedlichen Gründen heute kritisch gesehen: Sie fördert Resistenzbildungen bei den Parasiten und gefährdet Bodenlebewesen durch Medikamentenrückstände. Sie hat sehr lange Absetzfristen und verhindert eine körpereigene und zeitlebens schützende Immunität der Tiere. Die Empfehlungen gehen daher zur «selektiven Behandlung»: Es werden nur Tiere behandelt, die es wirklich nötig haben bzw. bei denen der Wurmbefall, z.B. in einer Kotprobe, direkt nachgewiesen wurde. Diese profitieren dann tatsächlich von einer antiparasitischen Behandlung. Ob eine solch defensive Strategie für den einzelnen Betrieb gefahren werden kann, hängt natürlich auch von äusseren Faktoren ab: Können die Tiere während der Weidezeit untersucht und entsprechend behandelt werden? Wie stark ist der Infektionsdruck auf den Wiesen? Wie gut ist die Grundkondition der Tiere, nach dem Winter? Um eine sinnvolle und passende Parasitenstrategie für Ihren Betrieb zu finden, ist die jeweilige betreuende Tierarztpraxis der beste Ansprechpartner.

Obacht beim Futterwechsel

Auf vielen Betrieben bedeutet der Weideaustrieb im Frühjahr einen heftigen Futterwechsel: Das Winterfutter aus dem Vorjahr geht zur Neige, auf den Wiesen schiebt das junge Gras. Schnell drohen Verdauungsstörungen und längerfristige Klauenschäden, wenn sich die Kühe den Bauch mit diesem nährstoffreichen Weidefutter vollschlagen. Je nach Vegetationsstadium birgt das unterschiedliche Gefahren: Der allererste Aufwuchs ist häufig noch kleearm, enthält aber kali- und zuckerreiche Gräser. Es drohen ein akuter Magnesiummangel und Weidetetanie (s. Kasten).

Weidetetanie – Gefährlicher Notfall für alle Beteiligten

Frühlingsgras ist oft sehr strukturarm, reich an Kalium und knapp an Magnesium. Das führt zu einer schnellen Passagerate im Pansen. Die Kuh kann das wenige Magnesium deshalb nicht aufnehmen. Das Kalium ist zudem Gegenspieler von Magnesium. Beides führt zu akutem Mangel. Betroffene Tiere zittern, knirschen mit den Zähnen, stöhnen, verdrehen die Augen und stellen den Schwanz. Sie stürzen und liegen krampfend fest - mit strampelnden nach oben gestreckten Beinen. Verpasst man es, in dieser Situation durch eine Infusion Magnesium zuzuführen, ersticken sie durch Krämpfe in der Atemmuskulatur. Bei der Behandlung ist allerdings oberste Vorsicht geboten, damit die unkontrollierten Bewegungen des krampfenden Tiers niemanden verletzen.

Wenn in feuchten Frühjahren jedoch erst spät mit dem Weiden begonnen werden kann, steigert sich der Anteil an Klee markant. Schlingen gierige Tiere dann in kurzer Zeit nicht nur sehr viel Energie und Zucker in sich hinein, sondern auch proteinreichen Klee, führt das unter anderem zu Pansenblähungen. Zwei wichtige Grundsätze sind daher:

  • Kühe nicht hungrig auf die Weide lassen. Vor dem Austrieb noch Futter aus der Winterration vorlegen.
  • Sukzessive auf Grünfütterung umstellen, z.B. durch nur stundenweises Weiden und nicht von 0 auf 100% umstellen.

Diese Methode braucht manchmal Geduld und Überzeugung. Oft wollen die Tiere im Stall nämlich nicht mehr fressen, sondern drängen regelrecht nach draussen. Das Verfüttern von strukturreichem, gutem Heu hilft jedoch den Pansenmikroben. Es bremst die Darmpassage des feinen Weidegrases, stabilisiert den Pansen-pH durch das regelmässige Wiederkäuen und verbessert so die Futterverwertung. Denn nur mit einer langsamen Umstellung gelingt es der Pansenflora, sich dem neuen Futter adäquat anzupassen.

Junges Weidegras ist reich an Kali und Zucker, enthält aber wenig Magnesium und Struktur. Das birgt Gefahr!
Bild: www.zweiaufreisen.com

Magnesium ist unersetzlich

Auch bei der Weidetetanie gilt: Vorbeugen ist besser als behandeln. Also muss die Magnesiumversorgung sichergestellt sein. Die gängigen Mineralstoffe in der Schweiz enthalten Magnesium in Mengen, welche für den regulären Erhalt und die Milchproduktion ausreichen. Im Frühjahr ist es jedoch ratsam, die Magnesiumgaben zusätzlich zu erhöhen. Am einfachsten geht das, wenn vom «normalen» Mineralstoff mehr gegeben wird. Es gibt aber auch speziell magnesiumhaltige Präparate oder Mineralstoffmischungen.

Adäquate Insektenbekämpfung

Sobald es wärmer wird, kommen die Insekten auf der Weide wieder zum Vorschein. Sie bedeuten häufig auch grossen Stress und können Krankheiten übertragen. Vor allem im Hochsommer sind Massnahmen zum Schutz vor Stechfliegen, Bremsen und Zecken eine Erleichterung für die Weidetiere. Es gilt diese zu planen und im Umtriebsplan zu berücksichtigen, sodass z.B. hofnahe Flächen in dieser Zeit für eine Nachtweide genutzt und die Tiere tagsüber in den Stall geholt werden können. Weiteren Schutz vor Insekten können auch Insektizide schaffen. Allerdings wirken die Aufgusspräparate wie Insekt Blocker Plus® wittterungsabhängig vier bis sechs Wochen. Vor allem Stark­regen wäscht sie ab, sodass man nachbehandeln muss. Einen länger anhaltenden Schutz vor lästigen Insekten versprechen die Hersteller von insektizidhaltigen Ohrmarken (z.B. InsektEx Ear Tag®). Je kürzer vor dem Weideaustrieb behandelt wird, umso länger wirken die Präparate.

Impfen empfohlen

­Letzten Sommer kursierte in der Schweiz, wie auch in den Nachbarländern, das Blauzungenvirus. Erfahrungen aus dem Ausland zeigen, dass Ausbrüche in den Folgejahren mitunter deutlich stärker ausfallen können. Eine Grundimmunisierung gegen das Virus ist durch zweimaliges Impfen von Januar bis März im Abstand von drei Wochen zu erreichen. Tierhaltende, die eine Impfung ihrer Tiere in Erwägung ziehen, sollten jetzt mit dem behandelnden Tierarzt Kontakt aufnehmen, damit noch vor Beginn der Weidezeit ausreichender Schutz aufgebaut werden kann.

Die Weide vorbereiten

Damit der erste Weideaustrieb erfolgreich vonstattengeht und die Weidezeit problemlos weitergeführt werden kann, lohnt sich eine sorgfältige Vorbereitung.

  • Auswahl des passenden Weidesystems
  • Funktionelle Klauenpflege
  • Strategie zum Schutz vor Magen-Darm- Parasiten
  • Insektenschutz, Impfschutz
  • Langsamer und geplanter Futterwechsel
  • Genügend Mineralstoff mit Magnesium
  • Gutes Wetter bestellen